Montag, 16. September 2024

Abreise

Bei unseren Besuchen im Baumarkt fiel mir ein Kleintransporter auf, der in der Fahrerkabine ein "mich-kann-man-mieten-Schild" kleben hat. Auf das Schild angesprochen erklärt der Fahrer sich bereit, uns am Montag zum Flughafen zu fahren. Abflug ist um 08:00, check-in ab 06:00. Mit etwas Rumgehampel wegen des Zollformulars wollen wir um 05:30 am Flughafen sein und verabreden mit dem Fahrer eine Abholung um 05:00.
Am Vorabend stimmen wir Abholzeit und Abmessung der Fahrrad-Kartons nochmal ab und einigen uns darauf, uns gegenseitig um 04:00 per WhatsApp-Anruf zu Wecken. Sicher ist Sicher.
Gegen 04:15 Uhr fährt unser Fahrer vor dem Hotel vor. Mit seinem privaten PKW. Mit Dachgepäckträger. Er meint, die Kartons könne man auf dem Dach verzurren. Genau das wollen wir nicht. Einfache Regel: mach die Kartons nicht schon vor dem Flughafen kaputt. Um 04:30 einigen wir uns darauf, dass er seinen Transporter holt, das würde 30 Minuten dauern. 
Um 05:00 fangen wir an, uns Sorgen zu machen, ab 05:10 diskutieren wir Alternativen, aber da taucht unser Mann denn auch auf. Wir verstauen unser Gepäck (2 Fahrradkartons  4 Gepäckstücke) auf dem Wagen und düsen los, um 05:45 erreichen wir den Flughafen.

Die zweite Hürde ist der Check-in. Der Agent am Schalter weiß mit unseren Fahrrädern nichts anzufangen, wirkt etwas unbeholfen. Es druckt dann Gepäck-Label bis Santiago aus und klebt die Label auf unser Gepäck. Wir fliegen mit LATAM in der Tat nach Santiago, dann mit LATAM weiter nach Bogota und mit Lufthansa weiter nach Frankfurt. Alle 3 Segmente auf einem Ticket. Warum also das Gepäck nur bis Santiago aufgeben. Eine Kollegin erklärt unserem Agenten etwas auf Spanisch,  die Label werden entfernt, neue Label ausgedruckt.
Nächste Hürde: der Agent erklärt uns, dass wir das Gepäck in Bogota entgegennehmen und neu aufgeben müssen. Seltsam, auf dem neuen Label steht doch Frankfurt drauf. Egal, wir nicken das erstmal ab, das Problem lösen wir später.
Nächste Hürde: Zoll. Wir halben die Fahrräder bei der Einreise von Bolivien deklarieren müssen, jetzt müssen wir das Formular bei der Ausreise ein zweites Mal abstempeln lassen, wenn wir die Räder ausführen. Der Zoll-Beamte in Arica fühlt sich nicht zuständig, wir fliegen nach Santiago, das ist auch Chile, da wird ja nichts exportiert. Da hat er nicht Unrecht. Er verweist auf die Kollegen in Santiago. Nur blöd, dass wir in Arica die Räder noch vorzeigen können, in Santiago befinden sich die Kartons in der Obhut von LATAM und stehen irgendwo im Keller. Aber Vorzeigen müsse man die Räder seiner Meinung nach dort nicht.
Abflug nach Santiago. 150 Minuten und einen Pappbecher Kaffee später kommen wir in Santiago an und gehen rüber zum Terminal für die internationalen Flüge. 
Nächste Hürde: Zoll. Wir gehen zum Zoll und erläutern unser Problem. Die Mitarbeiterin öffnet ein Tür und führt uns in einen riesigen Bereich, in dem der Zoll das tut, was der Zoll an Flughäfen so tut. Das ist der Bereich, in den man nicht gelangen will. In einem Büro sitzt ein Reisender, aus seinen geöffneten Koffern quillt originalverpackte Markenkleidung hervor. Die wir jetzt sauber gestapelt und inventarisiert. Nebenan wird die Seriennummer eines Satelliten-Telefons überprüft, eine andere Frau durchsucht einen Karton von Rechnungen, um irgendwas nachzuweisen. Im Hintergrund werden weitere Koffer geöffnet und die Reisenden zu einem der Büros begleitet. Wer hier sitzt, der hat ein Problem. Und zwischendrin: wir.
Aber: unsere Entscheidung, den Zoll zu kontaktieren, stellt sich als richtig heraus. Als wir mit einem Mitarbeiter sprechen, stempelt er unser Formular ab, die Einfuhr der Räder ist mit der Ausfuhr aufgehoben, der Vorgang hoch offiziell beendet. Er hätte die Räder gerne gesehen, aber wir konnten glaubhaft darlegen, sie aufgegeben zu haben und dass die Räder nun von LATAM befördert werden. 
Gleich geht's weiter nach Bogota. Ich gehe davon aus, dass unser Gepäck bis Frankfurt durchgecheckt ist.
Der Rückflug nach Frankfurt hat weit über eine Stunde Verspätung. Das ist aber das kleinere Übel: wir reisen zusammen mit der deutschen U20 Frauen Fussballnationalmanschaft nach Frankfurt. Während wir unsere Fahrräder bereits vor 6 Monaten bei Lufthansa angemeldet haben, hat der DFB seinen Flug erst gestern nach dem Ausscheiden im Viertelfinale gebucht. In Frankfurt mussten wir dann feststellen, dass die über 40 Alukisten vom DFB alle mitgenommen wurden, während unsere Fahrräder noch in Bogota stehen. Offensichtlich weiß die Lufthansa Prioritäten zu setzen. Der Privatreisende gehört nicht dazu.
Die Fahrräder und die Satteltaschen befinden sich noch in Bogota. 


Nur die hinteren Quertaschen sind in Frankfurt angekommen. Das Gepäck vom DFB war wohl wichtiger.



Samstag, 14. September 2024

Vorbereitungen Rückflug

Wir sind einige Tage früher in Arica angekommen als geplant. Puffertage, die wir vorgehalten haben, wurden nicht benötigt und die Bus-Etappe, mit der wir dem Sturm ausgewichen sind, hat uns auch beschleunigt. 
Die Vorbereitungen für den Rückflug haben streng genommen bereits vor 6 Monaten begonnen: da wir die Räder in einen Karton mit der Summe der Kantenlängen a+b+c < 280cm verpacken müssen (Raummaß < 280cm), stellte sich früh die Frage, woher wir einen derartigen Karton bekommen.
Einfacher Plan, kindlich genial: wir schicken uns den Karton per Post nach Chile! Aber da stellt sich das nächste Problem: Versand-Dienstleister argumentieren über das Gurtmaß, wenn L die längste Kantenlänge ist, dann muss gelten: 
L + 2(B + T) < 320cm
Wir brauchen also 2 Kartons, die (a) im aufgebauten Zustand das Raummaß von 280cm nicht überschreiten und (b) flachliegend und gefaltet das Gurtmaß von 320cm einhalten.
Trotz intensiver Recherche habe ich keinen Anbieter gefunden, der so einen Karton verkauft.
Daher habe ich mir bei einer Firma Maß-Kartons fertigen lassen, die meinen Wunsch-Abmessungen entsprechen, in Qualität BC2.3, vollüberlappend mit Stanzung für die Handgriffe. Kling teuer, ein Privatjet wäre aber teurer geworden.
Die Kartons haben wir 10 Tage vor Tourbeginn an unsere Unterkunft geschickt (die sich zur Aufbewahrung bereit erklärt hatte) und siehe da: bei unserer Ankunft warten die Kartons auf uns.


Zur Aussteifung lege ich in die Kartons immer eine mdf-Platte, die mit zwei durchgehenden Holzleisten verschraubt ist. Der steife Boden ermöglicht den Transport des Kartons quer auf einem Kofferkuli stehend. Auch die Öffnungen für die Handgriffe werden mit mdf-Platten versteift. Das Zeug kann man in Arica im Baumarkt kaufen, ähnlich wie hier, nur den Zuschnitt hatte ich aus Deutschland anders in Erinnerung:


Das Material haben wir zur Unterkunft geschafft, um dort die Kartons zu komplettieren. Im Hotel fand es niemand seltsam, dass ich um einen Hammer oder Schraubenzieher gebeten habe. Man hat mich bereitwillig mit jeglichem Werkzeug versorgt - obwohl das Gebäude komplett aus Holz besteht.

Bei der Planung, was kann da noch schief gehen ? Eine ganze Menge! Der übersehene Faktor ist: Luftfeuchtigkeit. Laut Wettervorhersage liegt diese in Arica weit über 80%. Die Unterkunft steht direkt am Meer, hat weder Heizung noch Klimaanlage, hat also innen die gleiche Luftfeuchtigkeit wie draußen. 
Man fühlt es den Kartons an, wie feucht die sind. Die Zugfestigkeit wird durch die Feuchtigkeit nicht gerade gesteigert. Ich bin kein Experte für Klebeverbindungen, aber die Kollektion an Klebern, die ich gekauft habe, scheint bei Feuchtigkeit eine Ewigkeit zum Aushärten zu benötigen. Gestern habe ich ernsthaft über den Kauf eines Luftentfeuchters nachgedacht, heute (nach einem Tag Stromausfall) bin ich froh, das nicht gemacht zu haben.
Wie dem auch sei, die Fahrräder sind verpackt und stehen in unserem Zimmer.

Da wir in Arica genug Zeit haben, lasse ich mich in einem Barbershop ebenfalls für den Rückflug vorbereiten. Bemerkenswert, wie viele Klingen, Messer und Rasierer hier zum Einsatz kommen, ich vertraue da ganz der Fähigkeiten der Fachkraft und auf meinem Impfschutz. 



Freitag, 13. September 2024

Tag 24: Arica

Rückblick Verpflegung: 
4 Wochen im Nordwesten Argentiniens, dem Altiplano Bolivien und dem Bezirk Arica haben essenstechnisch Spuren bei uns hinterlassen. 4 Wochen haben wir gefühlt nur von Keksen und Gummibärchen zum Frühstück und Mittagessen gelebt und abends von frittierten Kartoffel mit frittiertem Hühnchen und Reis, manchmal (wenn wir Glück hatten) mit zusätzlichem Spiegelei. Wenn es ganz schlecht lief mussten wir uns Abends das mitbebrachte dehydrierte Essen im Zimmer kochen. (Zusätzlicher Vorteil: durch das Wasserkochen konnten wir auch das Zimmer etwas aufheizen.) 
Obwohl wir in Argentinien in noch relativ touristischem Gebiet unterwegs waren, war die Essensauswahl nicht riesig (es gab eine grosse Auswahl auf den Menükarten, von diesem Angebot stand aber vieles nicht zur Verfügung). Besonders erinnerungswürdig war nur, dass das meiste Essen lauwarm, fast kalt serviert wurde und die Restaurants ohne Heizung waren wo der kalte Wind durch die offenen Fenster/Türen pfiff. Da nimmt man zum Abendessen lieber den warmen Tee als das kalte Dosenbier. Ist auch gesünder. Als positive Ausnahmen sind Purmamarca (Argentinien), Uyuni (Bolivien) und Putre (Chile) zu nennen, in denen man (für viel Geld) beheizte Speisesäle und sehr gutes Essen bekommen kann. Das waren auch die Ausnahmen, wo es Übernachtung mit Frühstück gab. In der Regel mussten wir uns morgens am Strassenrand Kekse oder Brot kaufen und haben uns dann dazu selber Tee gekocht. Cafes sollten wir erst in unserem Zielort Arica wieder vorfinden.
In Arica gibt es sehr viel Fastfood. Überall sind McDonalds, Dunkin Donuts oder ähnliche lokale Alternativprodukte zu finden. Es gibt auch einige wenige Restaurants mit gehobener Küche zu europäischen Preisen. Hier sind wir derzeit jeden Abend zu finden und probieren uns durch das lokale Fischangebot. Das Essen ist ausnahmslos lecker zubereitet, aber: es kommt leider immer lauwarm an den Tisch und in den Restaurants ist es lausig kalt. Wir sitzen daher auch in den hochpreisigen Restaurants mit Mütze und Jacke. 
Und: wir haben ein gemütliches Caffe mit gutem Kuchen gefunden, wo wir derzeit täglich vorbeischauen. 
Außerdem sind wir Fans von Pisco Sour geworden. Jeden Abend vor dem Zubettgehen gibt es noch einen Cocktail aus Pisco, Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar. Für Falko das Original, ich bevorzuge den Mix mit Zitronenverbene.






Donnerstag, 12. September 2024

Tag 23 : Arica Hotel-Baumarkt-Hotel


Wir sind ständig zwischen Baumarkt und Hotel unterwegs. Im Baumarkt werden wir schon wie Stammkunden herzlich begrüßt. In Arica gibt es nicht viel zu tun und Falko füllt die freie Zeit mit kreativen Optimierungen der Fahrradverpackung. Ich verbessere dadurch mein Spanischvokabular: Hammer, Schraubenzieher, Säge und Luftentfeuchter, um nur einige zu nennen. (Übrigens: hier scheint man nicht die billigen Holzzollstöcke zu kennen, sondern man arbeitet hier nur mit hochprofessionellen teuren Massbändern oder man hat mir als Tourist nur das teure Zeug gezeigt.)

Transportiert wird alles in Uber-Taxis. Was man alles in diesen chinesischen Kleinwagen transportiert bekommt ist fantastisch. Typisch deutsch hatte ich (natürlich unnötige) Bedenken, dass uns der Uberfahrer nicht mitnehmen würde. Hier wird alles sehr locker gesehen und der Uberfahrer hat auch beim Verstauen geholfen. 

Soweit laufen die Rückflug-Vorbereitungen gut. Aber die hohe Luftfeuchtigkeit macht uns Sorgen wegen der Fahrradkartons. Das Wetter ist recht kalt und feucht. Das Hotel hat weder Heizung noch Klimaanlage. Die Sonne zeigt sich nachmittags für ein paar Stunden. Vieleicht hat Falko ja noch eine weitere kreative Optimierungsidee.




Montag, 9. September 2024

Tag 22: Arica

Kein Fahrradfahrtag. Trotzdem geht der Wecker um 6.45, damit Falko in Ruhe als Erster beim Frühstück seinen Kaffee genießen kann. 

Ich lasse ihn alleine gehen und drehe mich nochmals genüsslich im Bett um. 

7.30 ist Sonnenaufgang,  aber heute ist es komplett bewölkt. Wir haben gestern Glück gehabt, die tolle Bergabfahrt noch bei gutem Wetter fahren zu können. 

Auch wenn wir heute nicht Fahrrad fahren, der Tag ist vom Fahrrad bestimmt: zuerst gehen wir zum chilenischen Zoll, um Herauszufinden, wie wir nächsten Montag 5.00 früh unsere Fahrräder wieder für die Ausreise  "de-registriert" bekommen. Falko ist immer noch etwas "ungehalten" , dass Chile das erste Land ist, dass bei unserer Einreise auf der offiziellen Registrierung unserer Fahrräder besteht. Ohne Nachweis, dass wir die Fahrräder auch wieder mitnehmen, würde man uns wahrscheinlich die Ausreise verweigern. 

Unser Problem: wir fliegen morgens früh von Arica nach Santiago de Chile - also ein nationaler Flug. Wie sollen wir da einen Zollbeamten erwischen, der uns die "Ausreise" unserer Fahrräder bestätigt?

Also auf zum Zollamt Arica. Ich habe schon etwas Panik, wie ich das mit meinen beachränkten Spanischkenntissen korrekt erklären soll. Aber die Lösung scheint ganz einfach: der Zollbeamte am Flughafen übernachtet dort. Wir sollen Montags früh einfach laut genug gegen die Tür hämmern.  Bin sehr gespannt, ob das klappt...

Auch der nachmittagliche Baumarktbesuch war sehr interessant: ich habe die spanischen Vokabeln für MFD-Platte, zuschneiden, Schrauben, Holzleiste und Holzleim gelernt.

Falko ist die nächsten Tage beschäftigt um die Transportboxen für die Fahrräder zu optimieren.  Ich werde mich die nächsten Tage nur auf Erholung konzentrieren.




Tag 21: Putre -Arica

Da ich gestern zu müde zum Blogschreiben war, hole ich das heute gut ausgeruht nach:

In Putre hatte ich noch ein bischen auf "lockeres Herabrollen" von 3600 Hm auf Meerniveau gehofft. Kleinere Bedenken aufgrund der Länge  (140 km), den zusätzliche 840 Hm bergauf und der Information, dass es direkt hinter Putre Richtung Arika eine Baustelle gibt, wo die Fahrbahn immer nur einseitig freigegeben werde., habe ich einfach verdrängt. Da haben wir nicht im geringsten erahnt wie schlimm es werden sollte und wie lang diese Baustelle sein würde. Als wir nach 7 km und 300 Hm wieder auf Asphalt fuhren dachten wir: top, das war es. Ab jetzt läuft es....

Eine Fehleinschätzung, die wir im Verlaufe der folgenden 19 km noch mehrmals machen sollten, denn "Nach der einspurigen unasphaltierten Passage" war über insgesamt 26 km immer wieder "Vor der nächsten einspurigen unasphaltierten Passage"... das ist so demotivierend. Als wir um knapp 12.00 mittags dann wirklich das Ende der Grossbaustelle erreicht hatten, waren wir fix und fertig, hatten ca. 500 der prognostizierten 840 Hm bergauf auf Rumpelstrassen geschafft und hatten bis zum Ziel noch gut 110 km vor uns. Immerhin waren wir zu diesem Zeitpunkt immer noch auf 3450 m Höhe, die Wahnsinnsbergabfahrt lag also noch vor uns. Wenn man dann feststellt, dass man aufgrund des starke Gegenwindes beim Bergabfahren nicht Bremsen, sondern trotzdem in die Pedale treten muss, dann geht es ganz schön aufs Gemüt. Aber es half nichts, wir mussten weiter.

Nur mit Fotopausen sind wir dann bis 18.00 in wahnsinnig schöner Landschaft durchgefahren. Die unheimliche Weite und die faszinierende Landschaft sind atemberaubend, das kann man auf den Fotos gar nicht realistisch abbilden. 

Als wir dann gegen 18.00 völlig ausgelaugt im Hotel eingecheckt sind, war ich so froh, dass wir es vor dem Sonnenuntergang geschafft hatten  - um dann in Arica festzustellen, dass am Pazifik der Sonnenuntergang eine Stunde später stattfindet als im Gebirge. Ich war einfach nur glücklich angekommen zu sein.  






Tag 21: Putre - Arica

Putre liegt auf einer Höhe von 3650m, Arica liegt am Pazifik auf Meereshöhe. Die 140km dazwischen klingen somit machbar. Wie falsch diese Annahme ist, durften wir heute rausfinden.
Aber der Reihe nach: Bei der Stadteinfahrt nach Putre ging es gestern eine Steigung von über 11% bergab, heute müssen wir die gleiche Strecke bergauf fahren. Mit schwer beladenen Touren-Rädern an der Grenze des Machbaren. Daher lassen wir unser Gepäck mit einem Allradfahrzeug aus der Stadt heraus bis zu Hauptstraße bringen. Allerdings müsse das Fahrzeug vor 08:00 auf der Hauptstraße sein, danach, so sagt man uns, sei die Straße geschlossen. Diese Information müssen wir erstmal verarbeiten. Es stellt sich heraus: die ersten 26km von Putre in Richtung Arica werden ausgebaut, der Verkehr wird gestoppt und in Konvois im Einbahnbetrieb zweimal am Tag durchgeleitet.
Nachdem unser Gepäck verladen ist, fahren wir los und kämpfen uns hoch zur Hauptstraße. 


Auf der Hauptstraße erschließt sich uns das Ausmaß der Baumaßnahme: über 26km wurde die Asphaltschicht entfernt, die Piste verläuft über Geröll, Schotter oder Fels.


Bei der Planung bin ich von einer durchgängigen Asphaltstrasse ausgegangen. Das hier ist das Gegenteil. Unser Vorankommen ist unterirdisch langsam. Schlimm ist auch, dass vor unseren Augen die letzten verbliebenen Asphaltabschnitte abgetragen werden.


Bis zur Mittagszeit haben wir etwas über 20km geschafft, weit über 100km sind noch zu fahren. Die Straße ist am Steilhang trassiert und verläuft mit steilen Anstiegen zwischen 3500m und 3800m auf und ab. Wenn wir eine Strecke von 500m bergab im Schritttempo rollen können, empfinde ich es als geschenkte Strecke, Schieben wäre unangenehmer.


Und jetzt? Ganz klar: niemals aufgeben! Immer weitermachen! Keine zuermürbenden Gedanken zulassen. Irgendwann liegt die Baustelle hinter uns und die Straße ist tatsächlich eine Straße. Was folgt ist eine beeindruckende Wüstenlandschaft: ähnlich zur weiter südlich liegenden Atacama-Region ist das Klima trocken: der Pazifik ist zu kalt, um Feuchtigkeit entstehen zu lassen, Wolken aus Osten haben ihren Regen an dem Anden Hauptkamm abregnen lassen. 

Jetzt geht es zügig voran, wir bauen Höhe ab. Wir machen einige Pausen, um die unglaubliche Weite der Landschaft zu genießen. Vermutlich empfinden wir die Landschaft auch aufgrund der schwierigen Anreise so intensiv.


Am frühen Abend erreichen wir Arica. Wie geplant.



Samstag, 7. September 2024

Tag 20: Parinacota - Putre

Die heutige Etappe verlief durch völlig unbesiedeltes Gebiet. Jetzt fällt mir am Namen des Grenzübergang etwas auf: der heißt "Chungara–Tambo Quemado". Der bolivianischen Teil des Namens ist nach der Stadt Tambo Quemado benannt, der chilenische Teil nach der Region Chungara. Da es auf chilenischer Seite weit und breit keine Siedlung gibt, hat man halt die Region zur Namensgebung herangezogen.
Das erklärt auch die Unterschiede in der Tierwelt: Bolivien: besiedelt, Lama- und Alpakas-Herden. Chile: unbesiedelte, keine von Menschen gehaltenen Tiere, nur Wildtiere, also viele Vicunjas. 

Vom Fenster unserer Untetkunft kann ich die Straße nach Arica sehen, und was ich da sehe, ist Folgendes; oben am Hang die Straße mit den LKW in Richtung Süden. Die Straße ist 120m oberhalb meines Standorts. Zwischen mir und der Straße ist ein Graben, da geht es über 50m runter. Das verheißt für morgen nichts Gutes.

Aber irgendwas ist ja immer. 

Tag 20: Parinacota - Putre

Heizung, Dusche, Handtücher, frische Bettlaken, Ablageflächen, Toilettenpapier... ich kann es kaum fassen, was unsere Unterkunft in Putre bietet und auf was wir die letzen 2 Wochen verzichtet haben. Ich bin einfach nur glücklich und zufrieden.

Nachdem wir es gestern doch nicht bis Putre geschafft haben (der Grenzübertritt hatte uns weit über 2 Stunden gekostet) und wir gestern in Parinacota gestrandet sind, hatten wir heute einen angenehmen kurzen Tag nach Putre in faszinierender Landschaft. Wir sind nun nur noch auf 3500 Hm und man sieht die Veränderungen in der Landschaft: war es auf 4500 Hm karg, felsig und wüstenartig gibt es hier schon viel mehr Grün, so dass wir nun auch die ersten Kuh- und Schafsherden entdecken konnten. Auf größeren Höhen gibt es nur Llama- und Alpaka- Herden und zwischendurch sieht man noch die wilden Vicuniaherden.

Putre ist ein relativ reiches Örtchen, da hier der Ausgangspunkt vieler Touristen für Bergbesteigungen ist. Der Unterschied zu den Dörfern, welche wir die letzten Wochen bereist haben ist gigantisch,  so auch das Angebot an Essensmöglichkeiten und damit automatisch auch die Preise. Das Preisniveau ist fast europäisch und liegt Faktor 5 (Übernachtung) bis 15 (Essen) über dem Preisniveau des bolivianischen Altiplano.

Einen Ruhetag hier in Putre einzulegen haben wir aber verworfen, da der Wind ab Montag wieder stärker werden soll. Schon heute haben wir den starken und eisigen Gegenwind gespürt  und obwohl wir 1000 Hm herunterradeln durften, mussten wir trotzdem gegen den heftigen Gegenwind ankämpfen.

Morgen möchten wir 140 km schaffen, da es zwischen hier und unserem Ziel Arica keine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Bei 3500 Hm bergab klingt es erstmal machbar, leider sind dafür auch noch 850 Hm bergauf zu bewältigen ...

P.S.: Einen fürchterlichen Nachteil des plötzlich angenehmeren Komforts will ich nicht verschweigen. Der erste Spiegel im Bad nach 2 Wochen.... erschreckend! 






Freitag, 6. September 2024

Tag 19: Tambo Quemado- Parinacota

Um zum Pazifik zu kommen müssen wir die Cordillera Occidental überqueren, die westliche Gebirgskette der Anden. Also, auf geht's, Jammern hilft nicht, der Pass liegt auf einer Höhe von 4680m und es ist davon auszugehen, dass es da oben kalt, windig und unangenehm sein wird. Nebenbei: Wer einen höher gelegenen internationalen Grenzübergang mit dem Fahrrad fahren möchte, der muss schon etwas suchen.
Wir treten langsam aber stetig in die Pedale und erreichen die auf der Passhöhe liegende Grenzstation.
Die Lage ist mal wieder unübersichtlich: in welcher Reihe wir Zoll und Einreise und Polizei abklappern müssen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, zumal bei den chilenischen Behörden ja im Anschluss an die Formalitäten noch das Durchleuchten des Gepäcks ansteht.
Im Vorfeld hatten wir uns Sorgen um die mitgeführt Lebensmittel gemacht. Die waren aber allesamt kein Problem. Das Ärgernis kam (wie so oft) von unerwarteter Seite: einer der Zoll-Beamten bestand darauf, unsere Fahrräder zu registrieren, deklarieren und bürokratischen. Der Grenzübergang hat uns so weit über zwei Stunden gekostet.
Gut: jetzt haben wir ein Formular, das bestätigt, dass wir die Fahrräder eingeführt haben.
Schlecht: jetzt müssen wir die Fahrräder auch wieder offiziell ausführen. Beim Zoll in Chile. Das bedeutet Aufwand. Aber das lösen wir später.
Von der Grenzstation fahren wir runter zum Lago Chungara, das Schild im Hintergrund gibt eine Höhe von 4559m an.

Die Sicht auf die Vulkane ist nicht so toll, dafür gibt es Vicunjas und Flamingos zu sehen.

Jetzt nimmt der Wind aber wieder heftig zu und bläst uns entgegen. Auch 5% Steigung bergab werden mühsam.

Putre schaffen wir heute nicht mehr, wir übernachten in dem kleinen Dorf Parinacota, wiedermal im Schlafsack. Der Genuss eines beheizten Zimmers mit eigener Dusche und morgendlichem Frühstück muss warten.